Merkel drängt Athen nicht aus dem Euro

Merkel drängt Athen nicht aus dem Euro

Opinion piece (n.tv)
Christian Odendahl
09 April 2015

Nach Angaben der griechischen Regierung wird die Eurogruppe am 24. April eine Einigung erzielen. Das würde bedeuten, dass Griechenland bis dahin eine Reformliste präsentiert, die von der Eurogruppe akzeptiert wird. Glauben Sie noch an eine solche Einigung?

Es wird schwierig werden, aber ich glaube ohnehin nicht an die eine große Einigung. Es wird eher über die nächsten Wochen, vielleicht sogar über die nächsten Monate mehrere kleine Einigungen geben. Beide Seiten müssen dafür sorgen, dass ihre jeweilige Bevölkerung sie als Politiker sieht, die für sie kämpfen, so traurig das in einem geeinten Europa ist.

Haben Sie den Eindruck, dass die Eurogruppe und die Bundesregierung unnachgiebiger sind, seit in Griechenland Syriza regiert?

Nein. Der neue Ansatz in Europa, sich eher nachsichtig zu zeigen, gilt nach meinem Eindruck auch für Griechenland. Das Problem ist, dass die griechische Regierung mit ihrem konfrontativen Stil es den Europäern und vor allem der deutschen Regierung schwer macht, ihr entgegenzukommen. Aber die grundsätzliche Bereitschaft, auf Griechenland zuzugehen, ist da.

Auch bei Bundesfinanzminister Schäuble?

Auch bei ihm - wenn auch etwas schwächer ausgeprägt.

Sie glauben nicht, dass Teile der Bundesregierung es darauf anlegen, Griechenland aus dem Euro zu drängen?

Das wäre nicht im deutschen Interesse. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat derzeit genug andere Krisen, vor allem den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, so dass sie das Risiko einer Destabilisierung Europas nicht in Kauf nehmen kann. Außerdem ist das europäische Projekt zumindest auf politischer Ebene eng mit dem Euro verknüpft. Deutschland kann kein Interesse daran haben, dieses Projekt aufs Spiel zu setzen.

Was wären aus deutscher Sicht die ökonomischen Risiken eines griechischen Euro-Austritts?

Erstens würde den Märkten klargemacht, dass die Eurozone doch nicht so irreversibel ist, wie man behauptet hat. Damit riskiert man, dass es in zukünftigen Krisen wieder zu den Zusammenbruchszenarien kommt. Eine solche Stimmung ist sehr schwer wieder einzufangen, wie wir vor Mario Draghis Intervention gesehen haben. Zweitens könnte es sein, dass Griechenland sich nach einer turbulenten Phase erholt. Damit würden die Griechen zu einem Beispiel für Länder des südlichen Europa, ebenfalls den Euro zu verlassen. Beides könnte die Eurozone destabilisieren. Dieses Risiko, da bin ich mir sicher, wird Angela Merkel nicht eingehen.

Das klingt, als wäre die Rückkehr zur Drachme für Griechenland keine ganz schlechte Lösung. Wo ist da noch die Motivation für die griechische Regierung, im Euro zu bleiben?

Bislang verknüpft die griechische Bevölkerung den Euro stark mit der Bindung ihres Landes an Europa. Wenn man den Griechen zusicherte, dass sie zur Drachme zurückkehren und trotzdem ein Teil der europäischen Familie bleiben können, dann könnte sich die Stimmung drehen. Allerdings haben die Griechen durchaus noch Erinnerung an die Zeit vor dem Euro, als es ihnen auch nicht sonderlich gut ging. Und die griechischen Probleme hängen auch keinesfalls allein an der Euro-Mitgliedschaft.

Mit einem Euro-Austritt wären also nicht alle griechischen Probleme gelöst.

Das Nachfrageproblem könnte die griechische Zentralbank mit einer Abwertung der Drachme teilweise lösen. Aber die griechische Wirtschaft, die politischen Institutionen und die Bürokratie wären dadurch noch nicht reformiert. Da hilft der Druck Europas und des Internationalen Währungsfonds vermutlich schon.

Das griechische Parlament hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der klären soll, wer für die Schuldenkrise des Landes verantwortlich ist. Untersucht werden soll die Zeit von 2009 bis heute. Ist das der richtige Zeitraum?

Es ist maximal die Hälfte der Geschichte. Etwa 2009 wurde klar, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik der griechischen Regierungen nicht nachhaltig waren, von diesem Zeitpunkt an musste Griechenland von außen unterstützt werden. Die Zeit von 2009 bis heute ist wichtig, um zu verstehen, dass das Sparprogramm zu drastisch gestaltet wurde und dass die griechische Regierung vor allem in den ersten zwei Jahren bei den Reformen zu nachgiebig war. Aber die Ursachen für die Probleme, die 2009 offenbar wurden, liegen in der Zeit vor 2009. Solange diese nicht offen aufgearbeitet werden, dürfte es schwierig sein, die griechische Gesellschaft von der Notwendigkeit tiefer struktureller Reformen zu überzeugen. Durch die Wahl des Zeitraumes könnte die Sicht, das Opfer internationaler Akteure zu sein, noch verstärkt werden. Aber wahrscheinlich war genau das das politische Ziel.

Können Sie in einem Satz erklären, wer für die griechische Krise verantwortlich ist?

Vielleicht in zwei Sätzen: Der Großteil der Verantwortung liegt bei den griechischen Eliten, sowohl vor als auch nach der Krise. Aber die Antwort, die Europa und der IWF seit 2010 auf die Krise gegeben haben, hat die Krise noch verstärkt. Der IWF hat sich mittlerweile ja für seine Fehleinschätzungen geradezu entschuldigt. Soviel Ehrlichkeit und Mut sind die Europäer und die Bundesregierung bislang schuldig geblieben.

Christian Odendahl ist Chefökonom am Centre for European Reform in London.